Die Handlung von Charles Gounods zweiter Oper La Nonne sanglante (zu Deutsch: „Die blutende Nonne“) stammt aus Matthew Lewis' einst berühmtem Roman „Der Mönch“ von 1796. Das gruselige Melodrama traf den Geschmack der damaligen Leserschaft: zwei verfeindete Familien, zwei Liebende, das rachsüchtige Gespenst der Nonne, Geheimnisse, Schwüre, Tod und Erlösung. Gounod verband in seiner Musik die Romantik der Handlung mit dem übernatürlichen Element, das allgegenwärtig zu sein scheint.
Was die Leserschaft goutierte, kam bei den konservativen Opernkritikern nicht ganz so gut an. Die Oper wurde elfmal durchaus erfolgreich aufgeführt, dann wurde sie abgesetzt. Die Vermischung einer Gespenstergeschichte mit religiöser Symbolik galt damals als „Versündigung an Allem, was Poesie und Kunst heißt“ (Süddeutsche Musik-Zeitung. Köln, 1854).
Es sollte über 160 Jahren dauern, bis Gounods Oper wieder in Paris gespielt werden sollte: Regisseur David Bobée inszenierte La Nonne Sanglante für die Opéra Comique in Paris im Juni 2018 als schauriges, bildgewaltiges Drama. Die bahnbrechende Produktion zeigt einprägsame Szenerien, die durch die schroffe Dramatik des Bühnenbildes und brillante filmische Lichteffekte verstärkt werden. Das Accentus Insula Orchestra unter Laurence Equilbey und eine Riege exzellenter Sängerinnen und Sänger, darunter Michael Spyres und Vannina Santoni in den Hauptrollen, sorgen für eine erstklassige Umsetzung dieser lange unterschätzten Oper.