Michael Gielen war der herausragende Dirigent seiner Generation in Deutschland. Der Musiker, der im vergangenen Jahr 90 Jahre alt wurde, hat wie kein anderer Dirigent seiner Zeit Rundfunkgeschichte geschrieben und sich unermüdlich für die Musik des ausgehenden 19. Jahrhunderts und die Zeitgenossen des 20. Jahrhunderts eingesetzt. Dabei hat sich Gielen ein unerhört großes Repertoire erarbeitet, das er vor allem mit den Klangkörpern des Südwestrundfunks zur Aufführung brachte. Selbst eingeschworene Gielen-Fans konnten bislang nur erahnen, wie viele Raritäten Gielen tatsächlich beim SWR eingespielt hat. Die Michael Gielen EDITION des Labels SWRmusic hat diese Situation schlagartig geändert. Noch nie hat es eine so umfassende Dokumentation des Schaffens des Dirigenten Gielen gegeben. Diese siebte Folge der Michael Gielen EDITION beschäftigt sich mit Musik der Spätromantik und der frühen Moderne und enthält die bisher meisten Erstveröffentlichungen im Rahmen der ambitionierten Reihe. Grundsätzlich ist Gielens Operntätigkeit zwar nur spärlich dokumentiert, aber dennoch hat diese Folge der Michael Gielen EDITION einen starken Bezug zum Theater-Dirigenten Gielen: Le Martyre de Saint-Sébastien von Debussy, Ballett-Musiken von Ravel, aus Opern abgeleitete Stücke von Schreker, Busoni und Hindemith und als Soundtrack aus einer TV-Produktion („Kitsch oder Kunst“) Szenen aus dem Rosenkavalier von Richard Strauss und der Madama Butterfly von Giacomo Puccini. Dass Gielen den Rosenkavalier und zwei Puccini-Opern, Manon Lescaut und La Bohème, an der Oper Frankfurt herausgebracht hat, ist wahrscheinlich weniger geläufig, aber in den hier vertretenen Ausschnitten aus Madama Butterfly und Rosenkavalier, die ziemlich genau zehn Jahre nach dem Abschied aus Frankfurt entstanden, kam es zu einer erneuten kurzen Zusammenarbeit mit dem Frankfurter Opern-Ensemble-Mitglied Margit Neubauer und dem Frankfurter Opernchor, die Gielens Bedeutung als Operndirigent zumindest erahnen lassen. Für Fans und Sammler unverzichtbar sind zudem die auf dem gesamten Tonträgermarkt sehr raren Einspielungen von hochinteressanten Stücken Goffredo Petrassis, Colin McPhees und Carl Ruggles‘. Und Skrjabin von Gielen hat man auch noch nicht gehört. Die Michael Gielen EDITION bleibt also spannend und beeindruckt mit jeder Folge auf’s Neue.