Dieses Album ist die erste Aufnahme seit dem Mitschnitt der Generalprobe von Henzes Oratorium Das Floß der Medusa zu der unter großem Skandal nicht zustande gekommenen Uraufführung von 1968.
Die verhängnisvolle Expedition der „Medusa“ von 1816, bei der die französische Vorherrschaft in Westafrika
wiederhergestellt werden sollte, endete nach Schiffbruch durch Inkompetenz des Kapitäns mit dem Tod Hunderter Seeleute und dem Überleben von Kapitän, Offizieren und an Bord befindlicher Honoratioren. Damit passte diese Geschichte von brutalen, egoistischen „Herrschenden“ gegenüber den „normalen“ Menschen ins Weltbild der 1968-er Studenten. Bei der geplanten Uraufführung versuchten diese, ihre Sicht auf ein politisches System der Unterdrückung lautstark deutlich zu machen. Die Polizei setzte 1968 den unterschiedlichen Interessen bei der Aufführung ein Ende.
Der Skandal der geplatzten Uraufführung überschattete seither die Würdigung der Musik. Dabei handelt es sich
um eine Partitur, in der alle Facetten menschlichen Leidens und der Hoffnung gekonnt in Klang verwandelt werden. Henze war auf der Höhe seiner Meisterschaft, vereinte leise Partien inniger Sehnsucht und große, hochwirksame Tutti-Stellen zu einem packenden Gesamtkunstwerk, das beinahe die Dimensionen einer Oper erreicht.
Es ist an der Zeit, dieses Meisterwerk wiederzuentdecken, unbelastet vom früheren Skandal, und es aufgrund seiner musikalischen Eindringlichkeit schätzen zu lernen. Dafür kann es keine bessere Aufnahme geben als diese allererste des SWR Symphonieorchesters mit so ausgezeichneten Solisten wie Camilla Nylund und hervorragenden Chören, dirigiert von einem der bedeutendsten Komponisten unserer Zeit: Peter Eötvös.