Rechtzeitig zum 80. Geburtstag von Alte-Musik- Pionier Anthony Rooley erscheint ein ganz besonderes Kleinod in MDGs „Preziosa“-Reihe: „Il Primo Libro de Madrigali“ ist Johann Grabbes Meisterstück; die maßstabsetzende Ersteinspielung des legendären Consort of Musicke begeisterte bereits in der Erstauflage Fachpresse und Musikenthusiasten gleichermaßen – nun erfahren wir sogar humorvoll servierte aufnahmepraktische Hintergründe. Wer in der Spätrenaissance als aufgeklärter Herrscher etwas auf sich hielt, der schickte seine Hofmusiker nach Venedig, damit sie beim berühmten Giovanni Gabrieli ihre Kompositionskünste vervollkommneten. So kam auch Johann Grabbe mit einem Stipendium des Grafen Simons VI. zur Lippe in die Serenissima – nur wenige Jahre vor dem gleichaltrigen Heinrich Schütz. Ob der katholische Gabrieli bewusst den zugereisten Protestanten weltliche Madrigale ins Aufgabenbuch gab? Schütz sah in Grabbe ein Vorbild; ihm ist es auch zu verdanken, dass in seiner Abschrift des Madrigalbuches überhaupt etwas aus Grabbes Feder erhalten ist; Grabbes eigene Manuskripte fielen allesamt den Wirren des 30jährigen Krieges zum Opfer. Überaus bedauerlich, wenn man die atemberaubende Interpretation des Consort of Musicke hört: Franco-flämische Vokalpolyphonie verbindet sich mit italienischen und englischen Einflüssen zu einer Musik, die über Jahrzehnte stilbildend wurde. Emma Kirkbys strahlend-feiner Sopran macht allein schon diese Aufnahme zu einem Hörgenuss der Extraklasse. Die übrigen Sänger des Consort of Musicke stehen dem natürlich in nichts nach. Durch die Aufnahme in einer lippischen Dorfkirche, deren Turm sich schon zu Grabbes Zeiten gen Himmel reckte, erhält die Veröffentlichung ein besonderes Maß an Authentizität.