„Keiner“, so vertraut Franz Schubert einmal seinem Tagebuch an, „Keiner, der den Schmerz des Andern, und Keiner, der die Freude des Andern versteht! Man glaubt immer, zu einander zu gehen, und man geht immer nur neben einander. O Qual für den, der dieß erkennt!“ Die Qual der Fremdheit, die innere Rastlosigkeit, die Suche nach Glück, Geborgenheit, Zuhause: das ist Schuberts großes Lebensthema und gleichzeitig seine künstlerische Triebfeder.
Anna Lucia Richter erforscht mit den Liedern dieses Albums verschiedene Facetten des Heimwehs in Schuberts Liedern: Mignon, die rätselhafte Mädchenfigur aus Goethes „Wilhelm Meister“, hat mit ihrer Sehnsucht nach Wärme und Heimat, ihrem unstillbaren Verlangen nach dem Absoluten, immer wieder Schuberts Fantasie entzündet. Ellen aus Walter Scotts „The Lady of the Lake“ sucht nach Schutz, Seelenruhe und Geborgenheit — und Schubert zeigt mit seiner Musik, dass gerade dies in Kriegszeiten nicht zu finden ist. Der Totengräber stellt in einem von Schuberts düstersten Liedern die Frage nach dem Sinn unserer menschlichen Existenz, der „Hirt auf dem Felsen“ versucht in der Natur und beim Wandern, seine Einsamkeit zu überwinden, der Zwerg schließlich verzehrt sich in seiner Liebe zur Königin und dem Tabu, sie zu leben. Nirgendwo ist der Schmerz schöner als in der Musik — besonders in derjenigen von Schubert, die einem (wie Schuberts Zeitgenosse Heinrich Heine sagen würde) „das Herz recht angenehm verbluten“ lässt.