Es hat Komponisten gegeben, die waren der Meinung, nach Auschwitz sei es unmöglich, neue Musik zu komponieren. So groß und schrecklich war die Unmenschlichkeit der Tat, dass die Betonung der schönen Künste, die ebenso wie der Schrecken des Holocaust aus den Hirnen und Händen von Menschen entsprang, als kaum je wieder möglich erschien.
Heute ist mit dem Franzosen Michaël Levinas (*1949) ein Komponist aktiv, der gerade die Musik als ein Mittel sieht, um die Unmenschlichkeit der Tat ebenso in Töne zu übersetzen wie die Hoffnung auf den Zusammenhalt der Völker und Religionen, um eine Wiederholung solch großen Leids auszuschließen.
Levinas hat deswegen die protestantische Passionsmusik nach Bach'schem Vorbild mit der Geschichte des Holocausts, konkret mit der Geschichte von Auschwitz verknüpft.
In dem Text zu seiner Passion bezieht er vier Sprachen ein: Altfranzösisch aus der Wiedergabe des Markusevangeliums aus einer Bibel des 13. Jahrhunderts, Jiddisch, Aramäisch (als die Sprache, die Jesus von Nazareth wahrscheinlich sprach) sowie Deutsch. Neben das Markusevangelium stellt er das jüdische Totengebet des Kaddisch. Aus dieser Verbindung zieht er die Erkenntnis, dass der Holocaust heute wie damals uns alle angeht und in der gemeinsamen Tragik und Schuld ein Potenzial zur heutigen Verbrüderung liegt.