John Cages Bedeutung für eine umfassende ästhetische Neuorientierung der Neuen Musik nach dem 2. Weltkrieg kann kaum hoch genug eingeschätzt werden. Dabei fand die Selbstfindung und kompositorische Artikulation besonders auf dem Gebiet der Klaviermusik statt: im Künste-verschmelzenden Experimentallabor New York um den Tänzer Cunningham, den Maler Rauschenberg und den kongenialen Interpreten und Pianisten Tudor. Es ist ein Glücksfall, dass sich Sabine Liebner, die bei Wergo bereits mehrere international hochgelobte Alben veröffentlicht hat, in die immensen pianistischen und künstlerischen Aufgaben der Darstellung eines weiteren Cage’schen Großwerks gestürzt hat. Entstanden ist die Ersteinspielung der vollständigen „Winter Music“ für eine(n) Pianist:in: Von jeder der insgesamt 20 unnummerierten Seiten werden alle notierten Ereignisse (Aggregate) konsekutiv gespielt. Die unspielbaren Noten dieser Aggregate sollen jeweils als „harmonics“ durch stummes Niederdrücken der Tasten als Obertonschwingungen realisiert werden. Durch diese große, entscheidende Bereicherung des Klangraums entsteht eine sehr differenziert klingende, kaleidoskopartige Musik von überraschend eigenwilliger Schönheit. „Winter Music“ fordert eine neue Art zu hören ein: das Hören des Klangs in kristalliner Klarheit und permanenter Veränderung im Inneren und Äußeren des Klangs. Diese Einspielung stellt einen Meilenstein und Bezugspunkt für die weitere Wirkung der „Winter Music“ dar.