Selten hat man eines der bekanntesten Werke von Mendelssohn, die geniale Hebriden-Ouvertüre, so wild, schroff und rauh, ja zerklüftet vernommen wie in dieser vorletzten Folge von Mendelssohn-Symphonien mit Jörg Widmann.
Sicherlich ist dies eine ausgesprochen zeitgenössische Interpretation, man hört die heute ubiquitäre Hörerfahrung mit alten Instrumenten mit, auch wenn sie hier nicht zur Anwendung kommen. Noch mehr dürfte es aber den Komponisten am Dirigierpult – und Musik-Analysten von hohen Graden – gereizt haben, dieser von Abgespieltheit und Verharmlosung gefährdeten Musik alles falsch Selbstverständliche und Biedere interpretatorisch auszutreiben. Und dazu dürfte auch das schon in den anderen Folgen bewährte Prinzip der sehr bewussten Zusammenstellung und Kontrastierung der Mendelssohn-Werke mit eigenen des bekanntlich auch Klarinette spielenden Komponisten und Dirigenten anregend beigetragen und auch den Musiziergeist des glänzend disponierten Irish Chamber Orchestra spürbar begeistert haben.
Eine eigentlich sonst dem Konzert vorbehaltene Dramaturgie erweist sich hier auf Tonträger als ausgesprochen glücklich: die wohlbekannten Werke des früheren 19. Jahrhunderts erklingen wie neu – fast fremd, was hier ein Kompliment für die Interpreten ist. Und die beiden frühen Werke Widmanns, selber historisch gewordener Teil seiner eigenen Entwicklung, entpuppen sich einmal mehr als mitreißend: das von frühen Disco-Erlebnissen des jungen Widmann inspirierte 180 beats nicht minder als die faszinierende, vom Komponisten selber gespielte Fantasie, in der er raffiniert scheinbare Grenzen des einstimmigen Blasinstruments im Aufbau von Harmonien überwindet.