Für Mariss Jansons waren Noten gleich Chiffren, deren Deutungsspielraum mit jedem neuen Parameter, der in der Partitur hinzukam, ungezählte weitere Varianten eröffnete – Tempo-Angaben, Artikulation, Phrasierung, Dynamik. Hinzu trat die Wirkung der Pausen und Fermaten, also der Ausdruck musikalischer Stille, die für ihn die gleiche Bedeutung wie klingende Noten hatten: Sie brachten das Verklungene nochmals in Erinnerung oder bereiteten spannungsvoll auf Neues vor. Vielleicht war das das Geheimnis seines Erfolgs und seiner Wandelbarkeit: Ob Tschaikowskis „Romeo und Julia“, Strawinskis „Feuervogel“ oder Varèses „Amériques“, bei Jansons wurde jedes Werk genau analysiert und mit großem Respekt gelesen.