„Es scheint, die Neunte ist eine Grenze. Wer darüber hinaus will, muss fort. Die eine Neunte geschrieben haben, standen dem Jenseits zu nahe“ – so orakelte Arnold Schönberg über Mahler, der gestorben war, ohne je seine Neunte Sinfonie gehört zu haben. Auch Bruckner soll Angst vor der fatalen Zahl gehabt haben: „I’ mag dö Neunte gar net anfangen, i’ trau mi nöt.“ Trotzdem begann er sehr bald nach Beendigung der Achten Sinfonie mit ersten Entwürfen. Insgesamt zog sich die Arbeit über einen langen Zeitraum hin und musste aufgrund des sich verschlechternden Gesundheitszustandes des Komponisten immer wieder unterbrochen werden. Schließlich starb Bruckner während der Arbeit am vierten Satz – das „dem lieben Gott“ gewidmete Meisterwerk blieb unvollendet. Der dreisätzige Torso ist freilich auch ohne ein Finale höchst beeindruckend.
Bruckners Neunte ist heute ein wesentlicher Bestandteil des spätromantischen sinfonischen Repertoires. Mariss Jansons und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks stellten im Januar 2014 die originale Fassung der drei vollendeten Sätze dem Münchner Publikum in der Philharmonie im Gasteig zur Diskussion. Der langsame Satz macht an seiner jetzigen Position keine schlechte Figur und verhilft der Sinfonie zu einem würdigen Schluss. Was will man mehr als diesen Abgesang, der zwischen Leid und Verheißung auspendelt und entschwebt als Vision von Ruhe und Frieden? – Der Mitschnitt jenes Münchener Konzertereignisses erscheint nun bei BR Klassik: die mustergültige Interpretation einer der wesentlichen Kompositionen des sinfonischen Repertoires in ihrer Originalfassung.