Unter den Komponisten der Sowjet-Ära waren viele großartige Talente. Während Schostakowitsch und Prokofiew inzwischen auch diskografisch hervorragend erfasst sind und Mieczys?aw Weinberg und Nikolai Myaskovsky ganz zu Recht immer mehr Beachtung finden, gibt es noch eine ganze Reihe von Komponisten, die bis heute unterrepräsentiert sind und eigentlich mehr wahrgenommen werden sollten. Neben der besonders tragischen Gestalt Gavriil Popov gilt dies ganz besonders auch für Vissarion Shebalin.
Er entstammte derselben Komponistengeneration wie Schostakowitsch, studierte bei Myaskovsky und wurde unmittelbar nach Ende seines Studiums Kompositionsprofessor am Moskauer Konservatorium. 1942 stieg er gar zu dessen Direktor auf. Ungeachtet dieser "Blitzkarriere" blieb er von den berüchtigten Schdanow-Dekreten nicht verschont und wurde ebenso wie Schostakowitsch als "Formalist" verunglimpft und 1951 aller Ämter enthoben.
Wer die wunderbaren, munteren und einfach herzerfrischend schönen Orchestersuiten auf diesem neuen Album des britischen Entdeckerlabels Toccata Classics hört, kann sich kaum vorstellen, wie so ein Komponist je als "Formalist" beschimpft werden konnte. Wir hören hier eine handwerklich perfekt gemachte leichte Orchestermusik, die einerseits die russische Tradition nicht verleugnet, andererseits aber (ähnlich wie Schostakowitschs "Jazz-Suiten") die populäre Musik der Zeit der Komposition geradezu umarmt, und das alles auf eine sehr überzeugende und einfach liebenswerte Art und Weise.
Das Siberian Symphony Orchestra ist für die Musik des gebürtigen Sibirjaken Shebalin der geradezu auf der Hand liegende Klangkörper und zeigt sich unter dem Dirigat Dmitry Vasilievs von seiner besten Seite.