Um 1825 nahm Louise Bertin, Schülerin von Reicha und Freundin von Berlioz, das Thema Faust mit der ganzen Energie und dem Selbstbewusstsein einer jungen Frau von zwanzig Jahren in Angriff. Sie übertraf die Erwartungen des Publikums völlig und überzeugte die Kritiker mit ihrem Wagemut. Eine farbenfrohe Orchestrierung, charmante Melodien, kraftvolle Chöre - alles schien zu versprechen, dass das Werk ins Repertoire aufgenommen werden würde. Doch die Schließung des Théâtre-Italien nach nur drei Aufführungen im Jahr 1831 verhinderte dies, und die Partitur schlummerte 190 Jahre lang in den Gewölben der Bibliothèque Nationale de France. Die Hauptrolle, die für die Mezzosopranistin Rosmunda Pisaroni vorgesehen war, wurde schließlich von dem Tenor Domenico Donzelli gesungen. In dieser Gesamtaufnahme mit historischen Instrumenten präsentiert Christophe Rousset das Werk in seiner ursprünglichen Form, die selbst zu Lebzeiten der Komponistin nie zu hören war. Einmal mehr vereinen Les Talens Lyriques und der Palazzetto Bru Zane ihre Kräfte für eine spannende Wiederentdeckung der französischen Oper.